SHARI VARI + TOM WU | 04.12.19 Desi

Mittwoch, 04.12.19 Desi

SHARI VARI

Dunkel, elektrifizierend, samtig, verrucht – Helen Ratka und Sophia Kennedy mit Club-Pop vom Feinsten (Hamburg)

TOM WU

Psychedelic-Electro-Drum-Music for People from Outta Space (Echokammer / Cut Surface, München)

Einlass 20:30, Beginn 21 Uhr

Eintritt: Abendkasse: 14€, Vorverkauf. zzgl. Gebühr: 11€  

Photo: Carmen Scholle
               

SHARI VARI ist ein Duo aus Hamburg, das aus Helen Ratka (Ratka ist auch ihr DJ Name als Golden Pudel Resident und als qp/Spine Lab macht sie AV-Kunst) und Sophia Kennedy besteht. Ja, die Sophia Kennedy, die 2017 schon ein super Album auf DJ Kozes Pampa Records rausgebracht hat. Beide sind auch noch Visual Artists, und wir könnten jetzt noch über alles mögliche rumschwärmen, aber hier soll es um ihr neues gemeinsames Projekt SHARI VARI gehen, das ein wirklich fantastisches Urban Club Pop-Debutalbum rausgebracht hat: Now heißt es und ist auf Malka Tuti erschienen und ihr werdet den Songs zweifelsohne auf etlichen Dancefloors wiederbegegnen.

Wer schon längst auf ein Electroclash-Revival gewartet hat, wird hier nicht nur Spuren davon finden, sondern auch süchtig werden. “Dance Alone” sei hier ein Reinhörtipp. Suicide und ihr new-waviger Rockabilly klingen immer wieder an, aber das hier ist auch ganz anders: dunkler, elektrifizierender, samtiger, verruchter, wagt sich auch tief ins Chansonhafte. Die Songs sind Geschichten, stehen in der Tradition von US-Storytelling, lassen verschiedene Charaktere über ihr fiktionales Leben, ihre Lage singen. Zwischen Club Music und Pop Song liefern SHARI VARI exotischen Synthpop, kosmische Electronica, Proto-Techno, House, krautiger Wave – Musik zum Hineinfallen lassen und tanzen, kommt und genießt!

“Sie sind das Beste, was dem deutschen Pop seit 836 Jahren passiert ist. … Der Schluckauf-Elektrobilly von Suicide trifft die kühle Distinguiertheit von Discques-du-Crépuscule-Veröffentlichungen der 80er. Kunstliedhafte, fast barocke Momente münden in tribalistischem Getrommel. DIY-Elektronik knallt auf mysteriöse Neo-Noir-Atmosphären. Kiefernwälder wiegen sich im Wind, irgendwo flattert ein roter Samtvorhang. … Besser kann’s kaum werden in diesem Jahr mit der Popmusik.” Rolling Stone

       

Auftritte von Tom Wu sollten ausschließlich in Kellerclubs stattfinden. Kellerclubs, in die man hinabsteigen muss, als würde man in die Abgründe unserer Psyche hinabsteigen. Kellerclubs ohne Licht, als würde man sich in den düstersten Ecken unserer Gedanken befinden. Kellerclubs ohne Licht, bis auf ein Strobo, das Bilder von Menschen in Ekstase zeigt, zerhackt in Momentaufnahmen. Denn genauso wirkt die neue Platte des Münchner Schlagzeugers und Sängers: Wie eine Reise ins Unbewusstsein, wie eine besonders schwarze Nacht auf etwas zu starken Drogen.

Auf “All You Want” (Echokammer / Cut Surface), seinem zweiten Album nach dem Debut von 2014 klingt Tom Wu noch bedrohlicher, noch schneller, noch entschlossener. Er macht aus seinen Synthies dröhnende Kampfflugzeuge („Johnny Doe“), trommelt über Ausschnitte von Kampfszenen alter Kung Fu-Filme („Wintermute“), schreit fast mehr als er singt („Cocaine Champagne“). Und das alles simultan, Tom Wu singt, spielt Schlagzeug und bedient Synthies gleichzeitig. Allerdings nicht als Zirkusnummer, sondern weil er’s nun mal kann und weil er eine ganz klare Vision seiner Musik hat: Energisches Trommelspiel, schwere Synthie-Bässe, psychedelische Synthie-Flächen, ein Trompetenriff hier, eine Flötenmelodie dort, und über allem Tom Wu’s dringlicher, klagender, verzweifelter Gesang. Das Ganze erfüllt von einer ganz eigenen New Wave- Kühle, die im Unterschied zu vielen anderen zeitgenössischen Bands kein cooler Move ist, nicht nur gespielt, kein Pastiche, sondern echt und inhaltlich zwingend. Denn Tom Wu hat etwas zu sagen, und zwar über Dinge, über die die wenigsten gerne ehrlich sprechen, geschweige denn singen: Über verdrängte Ängste, Obsessionen, Begierden, über Sex, Hedonismus, die Nacht.

In „Cocaine Champagne“ etwa ist vom ersten Ton an klar: Wir sind hier nicht auf einer safen Detox-Party, auch auf keinem immer gleichen Club-Abend, hier hat die Nacht noch Abgründe, hier kann die Euphorie jeden Moment in Paranoia umkippen. „Please Baby, Smile“ entführt uns mit seiner zauberhaft schauderhaften Jahrmarkt-Melodie in die Gedankenwelt eines psychopathischen Horrorclowns: I want to see you happy – for a while. Im Titelsong „All You Want (Is Just a Little Something)“ wird sexuelles Verlangen des einen zu sexuellem Erwartungsdruck des anderen; im Video dazu werden Höchstleistungs-Porno-Szenen auf den nackten Körper von (nicht nur) Tom Wu projiziert.

Diese Musik will eigentlich so gar nicht zum sauberen Schicki-Micki-München passen (obwohl es gerade dort natürlich so einige Abgründe gibt…). Um so besser passt sie zum die wildesten und schönsten Blüten treibenden Underground dieser Stadt. Ein Underground, den Tom Wu selbst mit geprägt hat am Schlagzeug, einst für Kamerakino, heute für u.a. Das Weiße Pferd, Parasyte Woman oder das Honky Tonk Movement. Ein Underground,
aus dem schon Acts wie Pollyester, Friends of Gas oder Leroy hervorgekrochen kamen.

Wie die beste gute Musik schießt die Musik auf „All You Want“ auch beziehungsreiche Pfeile in die verschiedensten Richtungen ab: Zur H.P. Lovecraft-Kurzgeschichte „Die Musik des Erich Zann“, zu Chuck Berry’s Klassiker „Memphis, Tennessee“, zum William Gibson-Roman „Neuromancer“. Und zum griechischen Jüngling Ganymed, Ikone der Schönheit und Homoerotik, als den die Künstlerin Anna McCarthy Tom Wu auf dem Albumcover inszeniert.

Neben Tom Wu (Schlagzeug, Gesang, Produktion) sind The Notwist’s Micha Acher (Trompete auf “All You Want”), Dizzy Errol (Gesang und Gitarre auf “Memphis, Tennessee”) und ex Franz Ferdinand-Gitarrist Nick McCarthy (Gitarre auf “Cocaine Champagne”) zu hören. Gemischt wurde “All You Want” in den Londoner Sausage-Studios von Sebastian “Seb-I” Kellig, der u.a. schon für “La BrassBanda” tätig war und dort zusammen mit Nick McCarthy eigene Produktionen wie “Das Lunsentrio” oder “Manuela” fabriziert.

Wir freuen uns, ihn nun endlich mal auch live nach Nürnberg holen zu können!


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