Ein eindringlicher Roman über die Scham des sozialen Abstiegs, aber jenseits von Sozialkitsch, das ist Markus Ostermair mit ‚Der Sandler‘ gelungen. Er liest für euch daraus am 21. April im Künstler*innenhaus.
Donnerstag, 21.04.22 im Künstlerhaus / Filmhauscafé (Austellungsbereich 1. OG Glasbau)
Markus Ostermair liest aus seinem Roman ‚Der Sandler‘
Einlass 19 Uhr / Beginn 20 Uhr
Eintritt nur Abendkasse: 5 – 10€ (Zahl was du kannst)
Einlass 2G und Maskenempfehlung, aber keine Pflicht.
Mitpräsentiert vom Filmhaus Nürnberg und mit Büchertisch von der Buchhandlung Jakob
In Der Sandler wird eine Geschichte erzählt, die eigentlich gar nicht erzählt werden darf. Denn sie handelt von der Scham des sozialen Abstiegs – und diese Scham macht die Betroffenen schweigen. Der Sandler ist ein Roman, der Obdachlose ins Zentrum stellt und trotz aller Fiktion ein realistisches und vielschichtiges Bild ihres Alltags auf den Münchner Straßen vermittelt.
»Das Schlimmste, was man beim Handaufhalten tun kann, ist, tatsächlich die Hand aufzuhalten. Da muss was dazwischen. Ein Hut, ein Kaffeebecher oder ein Stück Pappe, das auf dem Boden liegt.« (S. 123)
Ein Roman über Reue, Ausgrenzung, fehlende und dann auch wieder überraschende Solidarität. Selten hat sich ein Roman so intensiv und kenntnisreich mit Obdachlosen auseinandergesetzt.
Einer von ihnen ist Karl Maurer. Er mäandert durch die Stadt, besucht Suppenküchen und Kleiderkammern und manchmal wird er von den Bildern seines früheren Lebens eingeholt – von seiner Frau und seiner kleinen Tochter, der Zeit als Mathematiklehrer und dem Kind, das ihm vors Auto lief. Gleichzeitig durchstreift auch sein Freund Lenz die Stadt auf der Suche nach ihm. Lenz, ein Zettelschreiber und Utopist, spürt, dass es mit ihm zu Ende geht. Er will Karl seine unfertigen Notizen vermachen und, was noch viel wichtiger ist, den Schlüssel zu seiner Wohnung, die er geerbt hatte, in der er sich aber geweigert hatte zu leben.
Lenz’ Tod ist ein Wendepunkt. Die Wohnung könnte Karls Chance sein, die diffusen, stets auf die lange Bank geschobenen Pläne, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, in die Tat umzusetzen. Auch Kurt, ein Haftentlassener, der stets den Angriff für die beste Verteidigung hält, merkt, dass er sein Leben ändern muss. Er sucht ebenfalls eine Bleibe, die er mit niemandem mehr zu teilen braucht.
Der Sprachlosigkeit der Obdachlosen setzt Markus Ostermair eine Sprache entgegen, die nahe an ihr Leben heranführt, ohne dabei zu werten, zu romantisieren oder voyeuristisch zu sein.
Foto von Fabian Frinzel
Markus Ostermair, geboren 1981, lebt in München, wo er Germanistik und Anglistik studierte und freiberuflich als Schriftsteller, Texter und Übersetzer aus dem Englischen arbeitet. Seine Auseinandersetzung mit dem Thema Obdachlosigkeit begann als Zivildienstleistender in der Münchner Bahnhofsmission. In seinem Debütroman Der Sandler beschreibt er mit einem großen Figurenpanorama den Alltag von Straßenobdachlosen. Der Roman erschien im September 2020 im Osburg Verlag, Hamburg, und wurde noch im selben Jahr mit dem Tukan-Preis der Stadt München ausgezeichnet. Im Oktober 2021 wurde ihm dafür zudem der Bayerische Kunstförderpreis in der Sparte „Literatur“ verliehen.