Donnerstag, 15.11.2018 Kantine
KARIES
SCHUBSEN
“Alice” wird es heißen, das dritte Album nach „Seid umschlungen, Millionen“ und „es geht sich aus“. KARIES heißt die Formation, This Charming Man Records das Label. Aufgenommen, produziert und gemischt von Max Rieger, eine Zusammenarbeit, die mittlerweile seit fast sechs Jahren besteht. Das Ergebnis überrascht, wird manche vor den Kopf stoßen und einige werden durch “Alice” das erste Mal von KARIES hören. Gut so! Statt Gleichschritt, gehen KARIES diesmal zwei, drei Schritte auf einmal und unternehmen ästhetische Sprünge. Der Charakter der Produktion ist modern und es geht tanzbar, beschwingt und eingängig zu auf „Alice“ (mastered by Ralv Milberg), ohne dass die noisig-wavige Düsternis und Schwere gänzlich abgelegt wird. Die 80er Referenzen sind da, nostalgisch hängt dieser Zeit jedoch keiner nach, hier wird dieser Sound in die 10er befördert im Engtanz mit elektronischer Musik. Veröffentlicht wird im Herbst 2018 und natürlich kommen sie damit auch wieder zu uns nach Nürnberg!
Die Story könnte hier schon zu Ende erzählt sein, ohne dass ich mich erinnern kann, wie sie wirklich begann. Vielleicht hat sie da drüben begonnen, mit dem Laden, in dem uns früher die vielen Aufkleber auf dem Klo die Welt erklärt haben. Heute sind die Aufkleber weg und die Welt müssen wir uns selbst erklären. Das tun wir natürlich weiterhin am Tresen, der jetzt aber immer blank geputzt ist. Kleine Drinks zu großen Preisen.
Auch die Graffitiszene sprüht inzwischen ganz legal, sie tobt sich irgendwo dort hinter den Gleisen aus, wo sie gerade ein Neubauviertel hochziehen. Erst die Graffitis, dann die Künstler, dann die Szenekneipen und dann die Leute von immowelt.de. Gentrifidingsbums? Ach komm schon, lass’ doch bitte stecken. Illusionen hin, Explosionen weg.
Im Neubaugebiet wohnen dann die, die eigentlich auch gerne Teil der Graffitiszene wären. Oder wenigstens Skateboardfahren können. Vielleicht gründen ihre Kinder ja irgendwann eine neue Gang und lassen Wassermänner mit ihren Quallen lachen, aber bis dahin muss ein bisschen am Bier nippen reichen, für steife Rücken und perfekt geschminkte Leichen.
Vielleicht haben wir uns am Tresen kennengelernt, vielleicht aber auch im Konzertsaal. Du auf der Bühne, er am T-Shirt-Stand, wir beide irgendwo dazwischen. Models, Meyers, Maskeraden. Heute stehen wir zu viert zusammen da oben. Schlagzeug, Gitarre, Bass, Gesang – und ein Ziel: Einfluss auf das Träumen nehmen.
Die wollen nur spielen, sagt einer im Publikum und es klingt wie ein Vorwurf. Mag sein, doch das Chaos war besonders; vom Gefühl her gleich, vom Ergebnis anders. Welchen Stempel die Entscheider da nun drunter setzen, ist uns völlig einerlei, wir freuen uns auf glorreiche Zeiten und neue Blessuren. Am Ende ist es einfach Rockmusik von vier Menschen, die sich von den Aufklebern die Welt erklären haben lassen und ihre ganz eigenen Schlüsse gezogen haben. Die Story könnte hier auch starten, genau von Anfang an.
photo: Andreas Hornhoff