Der musikverein supportet die Anliegen der sich selbst organisierenden Sexarbeitenden und bringt euch mit Kassandra e.V. anlässlich der Aktionswochen zum Internationalen Hurentag eine Lesung des Theaterstücks ‘Sex Arbeit’ von Wenzel Winzer am 2. Juni in die Kantine.
Sonntag, 02.06.24 Kantine
Sex Arbeit
Lesung des Theaterstücks von Wenzel Winzer
Eine Kooperation mit Kassandra e.V.
Einlass 19:30 Uhr, Beginn 20 Uhr
Eintritt auf Spendenbasis (0-10€)
Eine Lesung des Theaterstücks ‘Sex Arbeit’, das Wenzel Winzer 2021 für das Schauspielhaus Nürnberg inszenierte. Aus dem damaligen Text dazu:
“Das Geschäft mit der Lust ist fester Bestandteil fast jeder Zivilisation, begleitet von gemischten Gefühlen aus Anziehung, Abscheu und Mitleid. Es sind überwiegend Frauen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Sie werden verachtet und begehrt, auf Sockel gehoben und stigmatisiert. Prostitution ist hierzulande legal, wird aber immer auch als zwielichtig empfunden. Aber sind Zwang und Gewalt tatsächlich Bestandteil der Branche selbst? Sicher ist: Das Geschäft läuft. Es generiert deutschlandweit ca. 14,5 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr, etwa das Volumen der früheren Karstadt Quelle AG. Die Quelle ist Geschichte, an der Frauentormauer floriert das Geschäft. Dort begann die Recherche, die nun in einem Stück über die zerklüftete Landschaft mündet, in der Sex Arbeit ist.
Kann Sex eine normale Arbeit sein und wo beginnt und wo endet überhaupt Sexarbeit? Ist Prostitution per se moderne Sklaverei oder eine der entschiedensten Formen der Selbstbestimmung? Kann Sexarbeit, wo sie doch der ultimative Ausdruck betonierter sexistischer Machtverhältnisse ist, zugleich feministischer Ausbruch aus heteronormativen Strukturen bedeuten? Mitten in die Differenzierung zwischen diesen Polen zielt Wenzel Winzers Rechercheprojekt „Sex Arbeit“. Winzer hat Interviews mit Menschen jeden Alters und Geschlechts über ihre Arbeit in der Sexindustrie und auch in deren eben auch problematischem Umfeld geführt. Aus umfangreichen Recherchen hat er mit drei Schauspielerinnen eine Annäherung an das Phänomen destilliert, das – als florierender Wirtschaftszweig und Spiegel der Gesellschaft – wie kaum ein anderes polarisiert. Und je näher wir heranrücken, desto einfacher und komplizierter zugleich erscheint es. Kategorien wie „Pro“ und „Contra“, „gut“ und „schlecht“, „Problem“ und „Lösung“ verschwimmen. Klischierte Bilder und klare Meinungen brechen auf und setzen sich anders (vielleicht) wieder neu zusammen.
Im Rahmen der Recherche interviewte Wenzel Winzer über mehrere Monate deutschlandweit, jedoch mit speziellem Fokus auf die Metropolregion Nürnberg, Sexarbeiterinnen sowie Mitarbeiterinnen von Vereinen und Beratungsstellen wie Kassandra e.V. oder JADWIGA, studierte Gesetzestexte, verfolgte politische und gesellschaftliche Debatten und stöberte natürlich auch im Internet. Aus diesem Material entstand eine Theaterfassung, die teils diejenigen unmittelbar zu Wort kommen lässt, für die Sex Arbeit ist, aber auch die Auseinandersetzung des Teams mit dem Thema erfahrbar macht. Wie „kommt man dazu“, was sind die realen alltäglichen Erfahrungen und Beobachtungen, wie ist der Umgang der Kunden und mit den Kunden, welche Bedürfnisse, aber auch welche Abgründe werden sichtbar, und in welchem gesellschaftlichen Kontext findet Sexarbeit statt? Auch die rechtliche Situation spielt eine Rolle: im Hinblick auf einen doch eigentlich inzwischen ganz legalen Wirtschaftszweig, aber auch in Bezug auf problematische Ausbeutungsdynamiken bis hin zur Bekämpfung eindeutiger Verbrechen. Was hilft? Verbot, nordisches Modell, Normalisierung und Eingliederung ins Gewerberecht? Klischees, Rollenbilder, wahre Kerne und ideologische Narrative, Symptome, Ursachen, Abhängigkeiten, genau beobachtete Details und das Luftbild einer unübersichtlichen Landschaft treffen aufeinander.
Die Inszenierung verwendet der Thematik entsprechend explizite Sprache.”
Kassandra e.V. bringen euch das nun als Lesung in die Kantine. Dieser Abend findet am Internationalen Hurentag statt, im Rahmen der Aktionswochen für Sexarbeitende.
Hintergrundwissen zum internationalen Hurentag:
Am 2. Juni 1975 fand im französischen Lyon der berühmte “Hurenstreik” statt. Wochenlang besetzten über 100 Sexarbeitende die Kirche Saint-Nizier, um gegen zunehmende Repressionen zu kämpfen. Das Datum gilt seitdem als Internationaler Hurentag und Ausgangspunkt der Selbstorganisation von Sexarbeitenden. Doch die Möglichkeit, an Regelungen für ihre Branche mitzuwirken und Einfluss zu nehmen, bleibt Sexarbeitenden bis heute weitgehend verwehrt.
Wir unterstützen diese Selbstorganisation und die Anliegen der Sexarbeitenden und freuen uns, euch diesen Abend als Kooperation mit Kassandra e.V. präsentieren zu können. Kassandra e.V. macht das im Rahmen der diesjährigen Aktionswochen für Sexarbeit, die bundesweit in Kooperation mit dem Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) organisiert wird, um sich als Sexarbeitende klar gegen Pläne zu einem Sexkaufverbot zu positionieren, aber auch die große Diversität von Sexarbeit darzustellen und Narrative, die besagen, dass Sexarbeit immer Gewalt gegen Frauen und mit Menschenhandel gleichzusetzen ist, zu widerlegen.
Und noch Info zu Wenzel Winzer:
Wenzel Winzer studierte Betriebswirtschaftslehre und Tourismus in Berlin. Nach dem Studium, arbeitete er für das Ritz Carlton Berlin im F&B Management. 2014 entschied er sich für das Theater und hospitierte am Deutschen Theater Berlin und an der Schaubühne Berlin. Im selben Jahr wurde er Regieassistent am Deutschen Theater Göttingen. Dort inszenierte er „Welche Droge passt zu mir“ und „Die Erzählung der Magd Zerline“. 2016 wechselte er an das Deutsche Theater Berlin und später an das Staatstheater Nürnberg. Zusammen mit dem Performance Kollektiv Ufaaq erhielt er das künstlerische Forschungsstipendium Flausen+ Young Artists in Residence 2018. Er arbeitete u.a. mit den Regisseur*innen Dieter Dorn, Anne Lenk, Bastian Kraft und Falk Richter.
Seit 2019 schreibt und inszeniert er seine eigenen Theatertexte. Für das Staatstheater Nürnberg schrieb und entwickelte er die Stücke “Sex Arbeit” und „Exit – Sterben für Anfänger*innen“, gefolgt von wir müssen über das Sterben sprechen“ für das Deutsche Theater Göttingen.
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